Gedanken zum kritischen Konsum

Wir befinden uns in der nächsten Etappe einer kulturellen und industriellen Evolution. Seit mehr als zwei Jahrhunderten leben wir im Maschinenzeitalter. Der smarte Mensch wohnt in einer digitalisierten und vernetzten Welt. Die Völker befinden sich in einem Konkurrenzsystem, in dem sie alle verbrüdert sind.1 Dieses System heißt Globalisierung. Durch die digitale Vergleichbarkeit entsteht ein neuer Kampf. Hier unterscheiden sich die Onlinemärkte entschieden von den alten etablierten Marktmechanismen. Im Sinne der Evolutionstheorie herrscht hier die natürliche Auslese, wonach nur die Stärksten und am besten Angepassten überleben. Dadurch werden in der Bevölkerung auf verschiedenen Ebenen Ängste entwickelt, die auch als Gründe für das Erstarken der neuen Rechten in der westlichen Welt angeführt werden können.

Wie im freien Markt üblich gibt es Gewinner und Verlierer. Als Verlierer droht der Verlust der Grundsicherung durch ein regelmäßiges Einkommen. Es bildet sich ein Gefühlt des „abgehängt sein“ heraus und somit die Angst des Verlusts der gesellschaftlichen Teilhabe. Populisten machen sich diese Ängste zu eigen. Nur liegt das Problem nicht in den Sozialausgaben für Benachteiligte, Arbeitslose oder Flüchtlinge. Trotz hervorragender aktueller Wirtschaftslage und guten Auftragszahlen, werden die Firmengewinne nicht adäquat an die Mitarbeiter weitergegeben. Im Gegenteil – schwache Tarifabschlüsse, befristete Arbeitsverträge und Leiharbeit verstärken die Einkommensunterschiede noch weiter. Die Lösungsansätze der neuen Rechten, dem mit Unternehmenssteuersenkungen und Deregulierungen entgegen zu wirken, könnten zynischer nicht sein.

Es liegt wohl tief im Menschen verankert sein teuer verdientes Geld auch maximal effektiv wieder auszugeben. Der Slogan eines Warenhauses „Geiz ist geil“ kann als die Überschrift dieser Epoche gesehen werden. Durch den Onlinevergleich und täglich wechselnde Preise sind wir ständig verunsichert, nicht doch einen höheren Preis für unsere Produkte bezahlt zu haben.

Konsum, unser Opium

Es liegt in der Natur der Sache, dass wir im Leben konsumieren müssen. Mit der Arbeitsteilung und Spezialisierung haben wir die Subsistenzwirtschaft verlassen. Dies hat uns einen hohen Lebensstandard ermöglicht, uns jedoch abhängig von der Gesellschaft gemacht. Wir sind somit auf den Konsum von Nahrungsmitteln, Kleidung, Haushaltsgegenstände und weiteren Gütern angewiesen. Unser Konsum geht heutzutage jedoch weit über unsere Grundbedürfnisse hinaus. Der Konsum ist unser Opium und die Werbung ist seine Injektionsnadel. Die Verkürzung der Produktlebenszyklen führen zu steigendem Ressourcenverbrauch und Müllproduktion. In internationalen Wirtschaftssystemen suchen wir uns die Länder mit den günstigsten Arbeitsbedingungen für unsere maximalen Profite heraus (entsprechend niedrigster Arbeitslohn, siehe Bangladesch). Gleichzeitig werden die Produkte durch industrielle Innovationen immer preiswerter. Konsumgüter werden für uns also relativ gesehen immer günstiger. Es kommt zu einem Werteverlust und einer Ersetzbarkeit der Produkte. Wir definieren uns über unsere Gegenstände und ihre Beziehungen zu einander.2

Durch unseren digitalen Dauerkonsum verlieren wir uns in redundanter Überkommunikation, narzisstischen Selbstdarstellungen und zeitraubenden Onlinegames. Wir sind müde von der ständigen Kommunikation, die uns Zeit und Nerven kostet, wenn wir Dinge umständlich beschreiben müssen, weil uns Mimik und Gestik im Chat fehlen. Auf dem Heimweg wird unser Gehirn weiter digital beschäftigt, anstelle sich zu erholen und den Übergang zur Freizeit einzuleiten. Gleichzeitig sammeln Firmen Daten, um uns mit gezielter Werbung zum weiteren konsumieren zu überreden. Dabei erliegen wir häufig dem Trugschluss, dass kostenloser Dienstleistungen (soziale Netzwerke, Messanger, E-Mailprovider) auch umsonst sind. Unsere Gegenleistungen sind Daten, die uns berechenbar, überwachbar und ausnutzbar machen.

Ideen zur Zukunft

Da wir alle zum Leben konsumieren müssen, liegt hier ein Problem. Zuerst müssen wir uns den Konsum und dessen Folgen bewusst werden lassen. Als wichtigste Maßnahme bleibt der persönliche Verzicht. Als Käufer können wir über unseren Konsum gezielt den Markt steuern. Unternehmen werden immer nur die Produkte anbieten, die die Käufer auch konsumieren. Wir besitzen also eine gewisse Macht, die wir nutzen sollten. Hier muss ein Umdenken und eine Rückbesinnung auf Qualitätsprodukte erfolgen, die länger benutzbar und reparierbar sein müssen. In vielen Bereichen des Lebens (Ernährung, Kleidung, Unterhaltung, Haushalt) finden sich große Potentiale, konkret viel Zeit und Geld zu sparen.

Wir müssen dabei zwischen Effizienz und Effektivität unterscheiden. Es bringt nichts, die richtigen Dinge zu tun, wenn man nicht die Dinge richtig tut. Dabei sind es besonders Bildungsbürger, die einen hohen Umweltanspruch an ihren Konsum legen, gleichzeitig jedoch durch Fernreisen, Mobilität und große Wohnungen einen hohen Pro-Kopf-Verbrauch natürlicher Ressourcen aufweisen. 3

Die manipulative Wirkung der Werbeindustrie muss eingeschränkt werden. Bestimmte Werbung sollte komplett verboten werden. Kinder sind eine besonders schützenswerte Gruppe, die nicht gezielt als Werbekunden angesprochen werden dürfen. Zudem sollte man die Zugänglichkeit von digitalen Medien auf den Prüfstand stellen. Es ist wichtig, Kinder früh auch an digitale Produkte heranzuführen. Das frühe Spielen birgt allerdings die Gefahr von rascher Abhängigkeit durch die geschickten Belohnungssysteme. Kinder besitzen hier noch keine ausreichenden Abwehrmechanismen, die sie vor manipulativer Werbung schützen.

Wir sollten wieder anfangen, unsere digitalen Helfer als das zu betrachten, was sie sind – unsere Gebrauchsgegenstände. Wir benötigen keine ständige Erreichbarkeit. Im persönliche “Offline-Austausch” gelingt es uns am einfachsten und schnellsten zu kommunizieren. Ist es nicht viel schöner ein erfreutes Gesicht beim Zeigen der Urlaubsbilder zu sehen, als nur auf Like- oder Herzchen-Jagd zu gehen?  Wir müssen nicht immer etwas “tun”. Pausenzeiten sind auch für unser Gehirn nützliche Entspannungen. Durch eine Entschleunigung vom digitalen Konsum werden wir dann am Ende wieder mehr Zeit für uns und unsere Mitmenschen haben.

  1. vgl. Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie, Friedrich Engels, 1844
  2. vgl. Auszüge aus James Mills Buch “Elements d’economie politique” MEW 40, 461, 1844
  3. Repräsantative Erhebung von Pro-Kopf-Verbrächen von natürlichen Ressourcen in Deutschland des Umweltbundesamts

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